Mastektomie – bin ich ohne Brust ein Mann?

Brustentfernung – Fluch oder Segen? Recht oder Wahnsinn?

Macht die Brust das Frausein aus? Ist sie stärkstes Merkmal? Ist ein Frau ohne Brust ein Mann? Ist eine Entfernung Hysterie oder Rechtfertigung?

Aufgrund eines guten Artikels und der doch immer wieder aktuellen Thematik, vor allem bei uns Transmännern, habe ich mir Gedanken zu dem Thema gemacht. So viele brennende Fragen und soviele Gründe, Begründungen, Rechtfertigungen wie es Frauen und vor allem Menschen auf der Welt gibt. Es ging um die allgemeine Hysterie aufgrund der Brustentfernung von Angelina Jolie und der daraufhin auftretenden Massenpanik. Eine etwas andere Sichtweise zu diesem Thema ist vielleicht meine, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass dies meine persönliche Meinung ist und es viele verschiedene Meinungen zu diesem Thema gibt, die alle ihr Recht haben und respektiert gehören.

Als Transmann ist eine Mastektomie ein ersehntes Ziel. Das schönste Gefühl, der größte Tag, der erste Schritt zum anders normalen Leben. Die Betrachtungsweise in meinem Fall hat einen anderen Background und eine andere Lebensnotwendigkeit, trotzdem kann ich jegliche Entscheidung einer jeden Frau verstehen und respektieren. Und so sehr ich der Meinung bin, dass eine Brust, egal ob natürlich, neu aufgebaut oder verschönert keine Frau macht, sondern die Seele ist es, ist es jedoch ein primäres Merkmal und im Eigenempfinden für die Selbstdefinition, und ja auch für das Selbstwertgefühl bei Frauen, wichtig und unerlässlich, eine zu haben.

Und das ist bei uns transidenten Männern genau umgekehrt. Eine Brust macht halt doch, äußerlich und vorallem im TM Eigenempfinden, eine Frau und darum stört sie, tut weh und belastet wie kaum ein anderes körperliches Merkmal! Wir brauchen für das Selbstempfinden, da wir ja Männer sind und keine weibliche Brust brauchen, die Entfernung, die Herstellung der Richtigkeit, wie wir sie empfinden. Obwohl ich gesagt habe eine Brust macht noch keine Frau, macht sie es ja doch.. für außen und für Frauen selbst auch. Ich meinte damit es ist keine Wertigkeit, eine Frau mit Brust ist genausoviel Frau wie eine ohne. Aber es geht immer um einen selbst. Um das Selbstempfinden und da gehört für viele die Brust zum Frausein dazu, genauso wie es für uns zum Mannsein nicht dazu gehört.

Man könnte nun philosophieren und die Gedanken ins endlose treiben. Ich widerspreche mich vielleicht für Leser aber im Herzen geht es nur um einen selbst und der Widerspruch entsteht erst durch zwei Sichtweisen.

Die von außen und die von innen.

Für mich macht keine Brust einen Mann. Für eine Frau vielleicht auch, oder aber hoffentlich nicht. Für eine Frau macht eine Brustentfernung vielleicht  weniger Angst, Sinn, mehr Angst, Panik, Resignation, gar nichts, stärker.

Für einen Transmann ist eine Entfernung Befreiung, Lebensgefühl, Freude, ein Schritt in die richtige Richtung und ein äusserliches Bekenntnis zu seinem inneren Empfinden und Fühlen. So viele verschiedene Empfindungen und Eigenbewertungen und Erlebnisse. Darum scheinen einige meiner Aussagen, auch wenn sie sich scheinbar widersprechen, zu stimmen. Oder?

Keine Brust macht einen Mann
Ja bei Transmännern. Nein bei Bio-Frauen.

Keine Brust macht eine Frau
Nein bei Transmännern. Ja bei Bio-Frauen

Eine Brust macht einen Mann
Nein bei Transmännern. Nein bei Bio-Frauen.

Eine Brust macht eine Frau.
Nein bei Transmännern. Ja bei Bio-Frauen

Kann man es wirklich so kategorisieren?

Der Wunsch einer Frau, sich die Brust entfernen zu lassen, aufgrund eines Krebsrisikos und/oder Angst, kann ich im Persönlichen, und wahrscheinlich viele Transmänner ebenfalls, sehr gut nachvollziehen. Bei Transmännern wird die Brustentfernung nicht nur ersehnt, sie ist Teil der körperlichen Anpassung an die Geschlechtsidentität, die männlich ist.

Eine Brust ist, wie auch oben beschrieben, ein weibliches Merkmal. Darum wird diese Entfernung so sehnlichst angestrebt. Aber sie muss, auch für Transmänner, gut durchgeführt werden, weil das Fühlen und die Sensibilität neben dem späteren männlichen Brustaussehen, erhalten bleiben sollte. Darum sind gute OP Methoden so wichtig. Weil äußere Merkmale sehr viel zum Wohlempfinden und der Eigenwahrnehmung beitragen. Darum werden ja auch Brustrekonstruktionen bei Frauen durchgeführt, die eine Entfernung hatten.

Für Frauen muss es jedoch ein schwerer psychischer und körperlicher Einschnitt sein, denn sie wollen ja ihre biologisch gewachsene Brust nicht wirklich verlieren. Gottseidank gibt es aber schon die neuesten Rekonstruktionsmethoden mit Eigengewebe.

Dies ist ein Thema was Frauen, wie Männer, Transfrauen, wie Transmänner aber auch Ärzte und Psychologen spaltet.
Die Mastektomie polarisiert.

IMG3178Man stößt auf Kopf schütteln und Unverständnis. Selbst ein medizinisch diagnostizierter Grund kann einem Zuhörer die Gänsehaut auf dem Rücken, ob des massiven Eingriffs, nicht nehmen. Und mit Zuhörer sind hier vorwiegend Frauen gemeint. Man mag diese Operation sehen wie man will, darüber denken was man will, und sich seine Meinung bilden, jedoch ist es ein sehr emotional behaftetes Thema, das sich tief im eigenen Selbstverständnis und auch der allgemeinen Wahrnehmung von Frauen bewegt.

Ich finde, dies ist eine Entscheidung, egal ob medizinisch begründet oder nicht, die nicht gewertet werden darf. Die jedem selbst obliegt, die jede Frau, und auch jeder Mann (TM) ganz wertfrei selbst treffen können muss und darf. Und wofür jedem und jeder das größtmögliche Verständnis und Toleranz entgegengebracht werden sollte. Und jede/r sollte die bestmöglichen OP Methoden erhalten.
Niemand hat das Recht, aus welchem Grund auch immer, zu werten und zu urteilen. Und das nicht nur bei der Mastektomie, sondern bei allem was andere Menschen mit sich und ihrem Körper tun.

Ein Wort zum Schluss: Toleranz ist nicht gleich Akzeptanz, und selbst wenn die Mastektomie als Transformation von Frau zu Mann dazu gehört, ein Teil der Mannwerdung ist und etwas Positives, Befreiendes, Diagnostiziertes, wird es selten in den Augen von anderen, ob Medien oder Menschen, als etwas Notwendiges und Sinnvolles ersehen noch erachtet, da man Gesundes entfernt.

Das dadurch aber der Geist und die Seele gesund werden und ein Leben lebenswert wird, dies gilt im Übrigen auch für Frauen die sich aus jedem Grund für eine Entfernung entschließen, dies wird oftmals aus den Augen verloren! Gleiches Recht für alle, egal ob diagnostiziert, gefühlt, gelebt oder gewollt! Wer das toleriert hat es akzeptiert.

Die Mastektomie polarisiert – sie kann aber auch verbinden – und heilen. Nur einen selbst und nicht die Gesellschaft.

Take care
Euer Sam

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